Eine Weihnachtsgeschichte
- David Hinder
- 17. Dez. 2017
- 2 Min. Lesezeit

Es rumpelte im Kamin, als die große, rote Gestalt mit weißem Bart durch den Schornstein kletterte. Wie durch Zauberhand klebte kein bisschen Ruß am Weihnachtsmann, als er sich erhob. Herr Maschermann wartete schon auf ihn. „Sie sind spät dieses Jahr,“ nörgelte er ungeduldig. Der Weihnachtsmann brummte. „Immer weniger sind brav, das dauert halt länger. Den Sack hab' ich übrigens oben gelassen. Brauch' ich nicht bei dir.“ „Wie jedes Jahr,“ meinte Herr Maschermann halb ironisch und brachte sich in Positur, indem er das Hinterteil in Richtung des Mannes in rot reckte. „Also, was haben wir dieses Jahr...?“ murmelte der Weihnachtsmann und zückte ein Smartphone. Mit sonorer Stimmer begann er gelangweilt aufzuzählen. „... noch reicher geworden mit anderer Leute Arbeit... Geld in dubiosen Geschäften angelegt... du unterstützt Kinderarbeit... was ist denn das? Gift in deinen Produkten?“ Der Weihnachtsmann musterte Maschermann kurz. „Das hattest du letztes Jahr noch nicht auf der Liste. „Ja, ja, same procedure as every year,“ unterbrach Maschermann ihn genervt. „Können wir das hinter uns bringen? Morgen erwarte ich die Familie zum Weihnachtsessen.“ Der Mann in rot schaute missmutig drein. „Na gut,“ seufzte er. „Die App sagt, dieses Jahr sind es zwölf Hiebe.“ „Ich steh schon die ganze Zeit in Position,“ nörgelte Maschermann und wackelte demonstrativ mit dem Hinterteil. Der Weihnachtsmann fluchte. „War vor der Reform alles leichter. Damals haben wir solchen wie dir einfach drei Geister geschickt. Scheiß neoliberaler Personalabbau.“ Er zückte den Schlagstock. „Wo ist die alte Rute?“ fragte Herr Maschermann.
„Letztes Jahr kaputt gegangen. Muss ja mehr Ärsche versohlen, als jemals zuvor. Dachte, ich bestell was Robustes bei Amazon.“ Er begann mit seiner Arbeit. Mit blechener Stimme zählte die App laut mit. „Sie haben Ihr Ziel erreicht,“ tönte es nach dem letzten Schlag. Stumm wendete sich der Weihnachtsmann dem Kamin zu. „Wo bleibt die jährliche Standpauke?“ fragte Herr Maschermann. „Wozu?“ fragte der Weihnachtsmann und verschwand im Kamin.
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