Die Star Trek Utopie – eine Wirtschaft ohne Geld
- David Hinder
- 11. Juni 2017
- 4 Min. Lesezeit
Wo sind die Utopien hin? Nicht einmal in Hollywood sind sie noch zu finden. Dystopien gibt es dafür um so mehr. In der Politik scheinen sich Utopien nur auf Dinge zu beschränken, die in den nächsten Jahren umsetzbar wären. Wo, frage ich, sind die großen Ziele? Die, bei denen klar ist, dass sie zu erreichen eine Generationenaufgabe werden wird. „Im 24. Jahrhundert gibt es kein Geld.“ - Jean Luc Picard, Star Trek
Im fiktiven Universum von Star Trek funktioniert die Wirtschaft nicht mehr, wie wir sie heute kennen. Es gibt kein Geld. Erwerb von Reichtum ist nicht mehr der große Ansporn der Menschen. Jobs werden nicht bezahlt. Rescourcen werden nicht verkauft. Menschen gehen Berufen nach, in denen sie einen Sinn sehen. Und nein, bei Star Trek gibt es nicht nur Raumschiffkommandanten. Der Vater von Benjamin Sisko aus Deep Space Nine führt ein Restaurant. Und an der Sternenflottenakademie gibt es einen Gärtner, der sich bei den Studenten großer Beliebtheit erfreut. Auch in Star Trek macht nicht jeder die große Karriere. Nichtsdestotrotz respektiert man sich untereinander – denn jeder leistet seinen Beitrag. Die Wertung zwischen besserer und schlechterer Arbeit gibt es nahezu nicht mehr. Aber selbst in dieser Utopie gibt es einen Auslöser kataklysmischen Ausmaßes: in der Mitte des 21. Jahrhunderts zerstört sich die Menschheit fast selbst - im dritten Weltkrieg. Atombomben fallen, es gibt 600 Millionen Opfer. Erst aus dieser Krise heraus gelingt es der Menschheit eine völlig neue Weltordnung zu schaffen. Kriege, Hungersnot und Verteilungskämpfe werden binnen einem Jahrhundert im wahrsten Sinne des Wortes aus der Welt geschafft. Nun ist die Realität natürlich keine Fiktion. Aber Fiktion kann uns sowohl als Anreiz und Warnung dienen. Es gibt einen Mangel an Zukunftsvisionen. Leider auch dort, wo sie am dringendsten gebraucht würden: in der politischen Linken. Ja, es gibt innerhalb der Szene Diskussionen und idealistische Ideen. Aber nichts davon kommt schlussendlich in der breiten Masse an. Egal, ob Schulz, Wagenknecht oder Özdemir – niemand macht ein Angebot für eine enkeltaugliche Gesellschaft. Natürlich ist es richtig, dass große Utopien nicht über Nacht erreichbar sind. Das macht sie für Politiker unattraktiv. Man will gewählt werden, dafür muss man liefern. Eine Aufgabe für die ferne Zukunft zu stellen ist selten erfolgreich. Aber trotzdem notwendig. Langfristig ein Wirtschaftssystem ohne Geld? Dies ist für Viele so gut wie unvorstellbar. Und ja, Geld erfüllt ja auch einen Zweck. Es ist ein abstraktes Tauschmittel. Es rechnet allerdings auch alles in einen Wert um, je nach Verfügbarkeit und Marktlage. Was bei einem Flachbildfernseher vielleicht noch nicht so schlimm erscheint, wird bei Nahrungsmitteln oder Medikamenten schnell zu einer Frage des Überlebens.Außerdem ist Arbeitskraft an Geld gekoppelt. Wer nichts hat, kann nur seine Arbeitskraft verkaufen, damit er Geld zum leben erwirtschaften kann. Geld ist also unweigerlich auch ein Machtmittel. Wer es hat, hat Macht. Wer es nicht hat, ist machtlos und damit erpressbar. Es stellt sich also die Frage, ob diese abstrakte Tauschwährung es überhaupt wert ist, zu überdauern. Mit dem Geld hielt auch die extrinsische Motivation Einzug. Man tut etwas, um der Belohnung willen. Eine Gesellschaft kann so funktionieren, das ist ohne Frage richtig. Aber geht nicht viel an Potential verloren, weil Menschen sich entscheiden, Dinge nicht zu tun, weil sie keine Belohnung dafür erwarten können? Wie viele Bücher wurden nie geschrieben, wie viele Thaterstücke nie verfasst, wie viele Gärten nie verschönert? Und auf der anderen Seite: wie viele Strukturen gibt es, die es ohne Geld nie gäbe und eigentlich für den Menschen gänzlich unnötig sind? Das Hauptproblem an einem geldlosen Wirtschaftssystem ist simpel: es ist die Einstellung der Menschen. Allein deswegen ließe es sich über Nacht kaum realisieren. Aber mit einer langfristigen Strategie, womöglich.
Derzeit wird das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert. Die Idee ist: jeder Mensch erhält eine monatliche Summe. Keine Forderungen, keine Konsequenzen. Man bekommt es einfach. Und obwohl hier noch Geld im Spiel ist, könnte so ein Konzept der erste Schritt zu einer geldlosen Gesellschaft werden. Denn zuerst müsste sich die gesellschaftliche Meinung zum Thema Lohnarbeit verändern. Derzeit ist es so: wer nicht arbeitet, der ist auch nichts. Dabei ist „Arbeit“ ziemlich klar definiert. Damit sind alle Berufe gemeint, die Geld generieren, entweder in Form von Lohn oder Gewinn. Gemäß dieser perfiden Logik leistet eine Hausfrau keine Arbeit. Absurd. Für die große Mehrheit der Menschen ist eine abhängige Lohnarbeit selbstverständlich, unter anderem, weil sie ihnen das trügerische Gefühl der Unabhängigkeit gibt. Wie unabhängig man wohl ist, wenn der Arbeitgeber entscheidet, die Stelle zu streichen? War man jemals unabhängig? Oder nur dem Wohlwollen des Arbeitgebers ausgesetzt? Und ist „Wohlwollen“ hier überhaupt das richtige Wort? Wohl eher nicht. Arbeitsplätze werden nicht wegen des moralischen Anliegens, sich an der Solidargemeinschaft zu beteiligen geschaffen. Arbeitsplätze gibt es, weil Arbeit erledigt werden muss, damit ein Unternehmen Profit generieren kann. Wenn es diesen oder mehr Profit auch ohne den Arbeitsplatz schafft, dann kann der Arbeitsplatz weg. Sozial ist, was Arbeit schafft? Von wegen. Aber: das muss die Mehrheit der Menschen erst mal einsehen. Und das BGE könnte hierbei helfen. Nach und nach würden die Leute einsehen, dass sie ohne große Risiken auch ihrer intrinsischen Motivation nachgehen könnten. Abhängigkeit vom Arbeitgeber wäre nicht mehr zwingend. Ein paar Euro Lohn als extrinsische Motivation würden nicht mehr so verlockend sein. Die Einstellung zur Lohnarbeit würde sich ändern. Womöglich auch die Einstellung zur Arbeit an sich. Das gesellschaftliche Stigma der Arbeitslosigkeit wäre womöglich keines mehr. In Anbetracht der massiven Arbeitsplatzverluste durch die Digitalisierung ein Umdenken, das bitter nötig wäre.
Eine geldlose Wirtschaft lässt sich erst schaffen, wenn Menschen bewusst wird, das Geld im Grunde gar nicht notwendig ist. Wenn Menschen, durch die Sicherheit eines Grundeinkommens bestärkt, bemerken, dass sie Dinge tun können, die sie gern tun würden, ohne gleich in ein Loch zu fallen, würde immer mehr Leuten klar werden, dass das Erwirtschaften von Reichtum und Konsum von Unfug nicht das einzige Lebensziel sein kann. Wenn diese Lebenseinstellung erst bei vielen Menschen angekommen ist, dann kann man langsam anfangen, für eine geldlose Wirtschaft zu werben und den Menschen somit gänzlich von der Abhängigkeit von Anderen zu befreien. Wenn es so weit ist werden die meisten der einfachen Arbeiten wahrscheinlich ohnehin von Maschinen erledigt – ein Menschheitstraum, den eigentlich gerade Linke teilen sollten. Aber so ein Zukunftsbild muss man auch irgendwann zu zeichnen anfangen. Nächstes Mal: Die Digitalisierung als Chance
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