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Frau Neandertal

  • David Hinder
  • 25. Feb. 2017
  • 5 Min. Lesezeit

Seit 30 Jahren höre ich mir Sätze an wie „Der Mann soll endlich aus dem Neandertal kommen“. Glücklicherweise sind die meisten von uns dieser Aufforderung nachgekommen. Ich frage mich nur: wann möchte die Frau nachziehen? Ehe wir uns falsch verstehen. Das wird kein Männer-gegen-Frauen-Text. Und erst recht keiner gegen den Feminismus. Noch immer ist jede fünfte Frau Opfer sexueller Gewalt. Noch immer erhalten Männer im Schnitt mehr Lohn. Noch immer unterliegt die Frau zu oft dem Rollenbild, angeblich einen Ernährer zu brauchen. Kurz: auch im Jahre 2017 hat der Feminismus noch viel zu tun um auch den Rest von uns endlich aus Neandertal in eine ordentliche Gegend umzusiedeln. Das hier wird kein Text über „die Frauen“, aber es geht um eine große Gruppe von Frauen und eine Doppelmoral, die stillschweigend geduldet wird. Ich hatte es mal wieder versucht: Tinder. Und bevor jetzt alle entnervt weg klicken: nein, es geht nicht im Speziellen um Tinder. Tinder ist nur ein Symptom, ein Gesellschaftsspiegel. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass sich der Erfolg in Grenzen hielt. Milde ausgedrückt. Natürlich habe ich den Rotz inzwischen wieder gelöscht. Dating-Websites tun sich da alle nicht viel: vom oberflächlichen Tinder bis zum mainstreamigen Parship, vom arroganten Elite-Partner bis zum eher einfach gestrickten Finya – eines haben sie alle gemeinsam: Frauen mit unendlich langen Forderungskatalogen. Mein persönliches Highlight – das werde ich nie vergessen – war eine Userin, nennen wir sie einfach Lisa. Lisa hatte Fotos eingestellt, auf denen man sah, dass sie nicht ganz schlank war. Und bevor ihr jetzt alle rumheult, mir geht es nicht um eine Wertung ob schlank oder nicht so schlank besser oder schlechter, hübscher oder hässlicher ist. Aber wir sind uns trotzdem alle darüber im Klaren, dass es auch in der liberal-pluralistischen Gesellschaft Konventionen gibt – auch wenn diese Scheiße sind. Wie dem auch sei, Lisa hatte einen Profiltext, etwas nullachtfünzehn. Im Stile von „Ich bin wie ich bin und das ist gut so.“ Nichts zu beanstanden bis hier her. Witzig wurde es bei „Ich suche“: Groß, muskulös und sportlich soll er sein. Dunkelhaarig. Und bärtig. Er soll „mit beiden Beinen im Leben stehen“ - ein Euphemismus für Erfolg im Beruf und etwas Geld im Portemonnaie. Unter ferner liefen kamen dann ein paar Charakterwerte, die erwünscht waren. Humor natürlich. Immer Humor. Intelligenz (nur mit einem „l“ geschrieben) und Eloquenz dürfen natürlich in diesem Männerbackwerk nicht fehlen. Was an diesem Bild merkwürdig ist, muss ich wohl kaum extra erwähnen. Nicht nur der Rechtschreibfehler zeigt uns eine leichte Dissonanz zwischen Selbstwahrnehmung und Forderung. Die Frage ist: warum glaubt Lisa, dass sie sich das leisten kann? Verlassen wir mal das Netz und werfen einen Blick in die Realität. Wir alle kennen doch diese eine Frau aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis, die nie einen Partner findet. Entweder eiert sie von Kurzbeziehung zu Kurzbeziehung oder bleibt einfach ewig lange Single – natürlich nicht, ohne regelmäßig klar zu stellen, dass es da draußen ja nichts Anständiges gäbe. Natürlich hat auch diese Frau diesen Forderungskatalog in der extended Edition. Problematisch: ihr fehlt offenbar die Vernunft, um zu erkennen, dass es ohne ein paar Kompromisse niemals geht. Außerdem fehlt die Erkenntnis, dass Liebe so nicht funktionieren kann. Potentielle Partner sind kein Fertigprodukt aus dem Supermarkt. Zugegeben: sowohl Lisa, als auch unsere Real-Life-Freundin sind in gewisser Hinsicht Opfer – und zwar einer der dümmsten menschlichen Ideen ever. Wir strunzdummen Hohlköpfe haben uns nämlich einen Partner“markt“ gestrickt. Wie bei Aktien, die man ständig an- und verkauft sehen wir uns selbst als eine Art Kapital – das kann ich einsetzen oder abziehen, wenn ich glaube, dass ich es irgendwo gewinnbringender unterbringen kann. Und wie auf jedem Markt geht es dabei um den Vergleich der einzelnen „Angebote“. Wenn meine Nachfrage zum Beispiel wäre, dass sie rothaarig, tätowiert und mit schöner Blässe versehen ist (ok, ich geb's zu, da stehe ich wirklich drauf), kann ich versuchen, ob mein eigenes „Kapital“ reicht, um bei so einer zu landen. Realistisch betrachtet wohl eher unwahrscheinlich. Der Mann hat hier natürlich ein Handicap. Denn Frau erwartet ja nicht nur den ersten Schritt, sie entscheidet schlussendlich, ob es zum Date oder mehr kommt. Er kann nur werben. Die größere Marktmacht liegt in weiblicher Hand. Das allein wäre vielleicht gar nicht so wild. Muss Mann sich halt etwas anstrengen. Passt schon. Aber wir sind dazu noch eine abartige Narzisstengesellschaft. Seit wir Kinder sind bekommen wir von allen Seiten gesagt, wie besonders wir doch seien. Mir steht daher ein besonders toller Job, Partner, [hierbeliebigeseinsetzen] zu. Das sieht man nicht nur an den ganzen noch unentdeckten Instagram-Modells bei Tinder. Oder, um die männliche Ausdrucksform zu erwähnen: an den Bildern mit nacktem Oberkörper und künstlich aufgepumpten Muskeln oder ungefragten Pimmelpics (ein Gedicht dazu hier: http://terminsel.wixsite.com/reverse/single-post/2017/02/20/Schwengelbilder). Man sieht es eben auch an der gnadenlosen weiblichen Überschätzung im eigenen Marktwert. Oder besser: dieser Marktwert wäre überschätzt, wenn wir Kerle nicht jeder Frau, die wir so halbwegs attraktiv finden gleich ein Like geben (ob in der Realität oder im Netz) und wir den anerzogenen Narzissmus nicht noch stärken würden. Frauen, holt doch diese eure Geschlechtsgenossinen auch mal aus dem Neandertal ab! Die haben doch einen Grad an Oberflächlichkeit erreicht, den die Männer nie geschafft hätten. Denn sie reduzieren nicht einfach nur auf Äußerliches (was schlimm genug ist, machen wir uns hier nichts vor) – sie stellen klar, dass es nur einen Typ Mann gibt, der wertvoll ist. Nämlich ihrer. Der dunkelhaarige, sportliche, muskulöse, intelligente, eloquente, bärtige, mit beiden Beinen im Leben stehende, lustige. Neulich las ich einen Internetkommentar einer Dame über Tinder. Wie üblich hatte sie die „gibt doch eh nix Gutes“ These und zählte ein paar Profile auf, die sie besucht hatte. Geil war ihr Abschlusssatz, der da in etwa lautete: einen habe sie gefunden, der gepasst hätte, aber der war nur 1,70 groß. Tussi ist also nicht bereit, auch nur einen Fuß breit von ihrer Forderung abzuweichen. Dass dieses Verhalten nicht nur oberflächlich sondern auch sexistisch ist, muss man kaum extra erwähnen. Oder? Jahrzehntelang haben Frauen Männer gewollt, die sich benehmen können, die sich beim pinkeln hinsetzen, die ihre Augen und noch wichtiger ihre Hände bei sich behalten können, die beim Flirten nicht in jedem zweiten Satz eine anzügliche Sex-Bemerkung machen und - was wohl am Wichtigsten ist – die eure Grenzen respektieren. Dumm nur, dass ihr zulasst, dass genau dieser Männertyp Tag um Tag gedemütigt wird, weil all das euch irgendwie doch nicht reicht. Wenn also das nächste mal die beste Freundin rumstöhnt, dass alle Männer scheiße seien oder dass sie ständig ins Klo greifen würde, überlegt euch vllt. mal ob das wirklich am Poolinhalt liegt, oder an den „Einstellungskriterien“ eurer Freundin. Zwingt sie aus ihrem eigenen Neandertal. Damit Mann sieht, dass es sich gelohnt hat, selbst da raus zu kommen. Denn bei all der Demütigung muss sich keiner wundern, wenn es bei manchen Männern zur Rückentwicklung kommt. Primitive Gesellschaftsabszesse wie die Pick up Artists, die ihre Mitglieder die „Kunst“ der indirekten Vergewaltigung lehren, haben guten Zulauf. Mann will sich schließlich aus dem Vakuum der Machtlosigkeit befreien, den Spieß umdrehen. Das ist keine Lösung. Sondern ein Rückschritt. Aber auch die Frauenwelt muss ihren Anteil an der Misere erkennen und lernen, die fiese Doppelmoral nicht immer nur bei uns Männern zu suchen (was nicht heißt, dass sie dort nicht auch reichhaltig zu finden sei). Zu meinem Glück zeigt mir mein Freundeskreis, dass es auch anders geht. Ändert aber nichts am Problem.

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